Der Augentäuscher by Mathias Gatza

Der Augentäuscher by Mathias Gatza

Autor:Mathias Gatza [Gatza, Mathias]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-8437-0240-9
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-06-22T16:00:00+00:00


Sophie von Schlosser an Silvius Schwarz

Schloss ***rode, 3. April 1673

Liebster Silvius,

Sie hätten gerne ein Ei mit Ihrem Konterfei? Mit meinem Konterfei? Mit einem Konterfei? Hm … Na, das müsste ich dann aber schon ein wenig konkreter haben, so in abstrakt bin ich eher lurzig, die geometrischen Gebilde habe ich auch nur – nur! – gemalt, und zwar aus Liebe, aus übergroßer Liebe. Übergroß! Liebe!! Sprengt alle Dimensionen, und wie viele kennen Sie? Viele, dacht’ ich mir schon, aber sie sprengt alle! Lieber Liebster! Alle Dimensionen! Unfassbar, oder? Nun, Sie werden sich daran gewöhnen, ganz sicher. Jedenfalls, diese wirklich ungeschickten protestantischen, ach was, geometrischen Gebilde und Charaktere, die habe ich nur für Sie gemalt, um nämlich den verschiedensten Ihrer so zahlreichen und faszinierenden Facetten gerecht zu werden, annähernd natürlich! Nur annähernd, ich meine, ich hätte sonst alle weißen Eier auf dem Markt aufkaufen müssen, und die sächsischen Soldaten hätten über den somit offensichtlichen Mangel an weißen Eiern in die Schlachtfelder weinen müssen, hätten in der Etappe auf braune Eier pinseln müssen, was teuflisch ist, natürlich, weil man braune Eier im Munkeldunkel nicht sehen tut.

Aber nächstes Ostern, das verspreche ich Ihnen, male ich dann ein paar weitere Ihrer so zahlreichen und faszinierenden Facetten! Na, mal sehen. Wenn Sie mir Modell säßen, sähe die ganze Sache anders aus! Eine kleine Miniatur, klitzeklein, winzewinzig? Sie könnten, dies nur als Anregung, in einem kleinen Potpourri mannigfaltigster fruchtiger Früchte sich tummeln. Sie könnten vor einem Meer sich rekeln, in einer Sonne sich aalen. Egal, wo und wie: Ich male Sie immer, immer male ich für Sie, ich mal mir was aus, und es ist immer mit Ihnen, und malte ich Zahlen, sie ergäben immer die Acht, endlose Schlaufen, die Acht ist ein e und ein e, wie die Liebe. Die Farbe der Acht ist das Blau, Königskobaltblau. Dies, lieber Liebster, ist eine Liebeserklärung. Sie ist, Sie ahnten es bereits, nicht originär von mir, sondern vielmehr von einem echten Dichter, den ich bewundere, Gryphius oder auch die Dicke Ilse genannt.

Ach, mein süßer Cousin, ist mir nach Spaß? Nein, keineswegs, keineswegs … Glauben Sie’s auch so, oder soll ich’s siebentausend Mal schreiben mit je zweihundertsiebenunddreißig Anmerkungen zum besseren Verständnis jedes einzelnen Satzes? Kann ich schon machen. Schreiben Sie aber nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Ah, sehen Sie, alles gerät mir in die Unordnung in dieser hochreligiös aufgeladenen Zeit. Und wissen Sie, warum? Aus genau zwei Gründen, die diametral sich einander gegenüberstehen, fundamental sich widersprechen, sich beißen, und zwar: Ich liebe Sie, und Sie sind nicht da. Sie sind nicht da, das ist das Grausamste, was Sie tun können, und darum frage ich mich, und zwar ausführlich, sekündlich und ständig: Warum tun Sie das also? Wissen Sie auch nicht? Dachte ich mir schon. Sie sind schrecklich weit weg, und ich finde Dimensionen eine unnütze Erfindung. Bloß: Was ist ihr Gegenteil? Könnten Sie das nicht herausfinden und mir sodann einen Lösungsvorschlag schicken? Ich liebe Ihre Vorschläge, ich liebe Sie. Habe ich das einmal erwähnt? Nicht? Na, mit



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